Bekannt und Prominent

Lothar Herzog (Mitte) bediente im Staatsratsgebäude zu DDR-Zeiten bei Empfängen. (Foto: Archiv)

Das vom Geschichtsverein herausgegebene Heft 3 der Leegebrucher historischen Blätter von Emmi Birkenstock ist 2006 erschienen und enthält wissenswerte Informationen über diesen südlich gelegenen Ortsteil, zu dem ja auch noch die Fläche „Fritzens Hut“ gehört, die nun endlich bebaut wird. In Ergänzung stellen wir im Journal zwei langjährig in der Gartenstadt auf Erholungsrundstücken anwesende Prominente vor, von denen bisher wohl nur wenige Leegebrucher wussten: Eddie Fischer, den weltbekannten Theater- und Kostümplastiker und im Kontrast dazu Lothar Herzog, den Stasi- Hauptmann und jahrelang stummen Diener vom DDR-Partei- und Staatschef Erich Honecker.

Den Bungalow vom Typ B 34 hat Lothar Herzog auf einem Grundstück am Schlangenberg in der Gartenstadt aufgebaut. Mit Ehefrau, Tochter und Sohn, die in Berlin wohnten, nutzte die Familie das Grundstück zur Erholung. Es wurden Tannen, Fichten, Kiefern und natürlich Birken gepflanzt, ein Pool installiert, aus dem beim Plantschen oft das zufriedene Grunzen des Hausherrn mit „herrlich“ ertönte.

Die Grundstücksnachbarn ahnten nicht, dass sie neben einem Stasi-Hauptmann und dem Honecker-Butler lebten.

Erst 2012 outete sich Lothar Herzog mit der Veröffentlichung seiner Memoiren in dem Buch „Honecker privat. Ein Personenschützer berichtet.“ Bei amazon kann man das gebrauchte Taschenbuch inzwischen für einen Cent oder neu ab 12,95 Euro bestellen.

Im Buch erfährt man, dass Lothar Herzog von Januar 1962 bis Februar 1985 als Kellner und Stewart, also Butler, in der Wandlitzer Waldsiedlung für Margot und Erich Honecker, der DDR-Bildungsministerin und dem Ersten Sekretär des ZK der SED und Staatsratsvorsitzenden der DDR, arbeitete.

Er wurde 1943 in Chemnitz als Sohn eines Wismutkumpels geboren. Von 1958 bis 1961 absolvierte Lothar Herzog eine Kellnerlehre im dortigen Hotel Chemnitzer Hof. Danach ging er nach Berlin und trat als SED-Mitglied und Personenschützer ins Ministerium für Staatssicherheit ein. Er schaffte es auf der Beförderungsleiter bis hinauf zu einem Hauptmann des MfS.

Mit Erich Honecker und anderen Mitgliedern des Politbüros und DDR-Regierungsvertretern reiste Lothar Herzog in mehr als 30 Länder. Von 1971 bis 1984 war Herzog gemeinsam mit seinem Mitstreiter Bernd Brückner für die Honeckers in Wandlitz und auch bei deren Urlaubsaufenthalten zuständig.

In Leegebruch musste sich der Stasi-Hauptmann unter Vielen in die Schlangen beim Bäcker und Fleischer anstellen. Denn die Verkaufsstelle in Wandlitz, wo es für die Bewohner der Waldsiedlung Westwaren für DDR-Mark zu kaufen gab, war für ihn tabu.

Mit dem Buch, das Herzog eigentlich nicht Honecker widmen, sondern als seine Biografie herausgeben wollte, beabsichtigte er, seinen Kindern und Enkeln zu zeigen, wie sein Leben verlaufen ist.

Dennoch schildert der Autor Honecker in den 13 Jahren an seiner Seite als „gefühlsarm“. Herzog, den Honecker wie im Buch beschrieben als „Befehlsempfänger“ oder „Möbelstück“ behandelte, hatte von ganz Oben die Anweisung, den Partei- und Staatschef nicht anzusprechen, wenn er nicht nach etwas gefragt wurde. Eine Ausnahme von dieser Regel könnte ihm den Posten gekostet haben. 1984 hatte er beim Servieren von Speisen bei den Honeckers darum gebeten, den Cocker-Spaniel-Hund „Flex“, der für den Enkel angeschafft worden war, aus dem Zimmer zu verbannen. Der Enkel reagierte drastisch und Honecker, der erst einverstanden war, knickte ein.

Am nächsten Tag erfuhr Lothar Herzog, dass Honecker für ihn ab sofort tabu sei. Ab diesem Tag durfte er in Wandlitz nichts mehr anfassen. Im Februar 1985 wurde er versetzt.

Ein weiterer Fehler in der Familie könnte ebenfalls Auslöser für die Versetzung gewesen sein. Denn die Herzog-Tochter hatte mit Freundinnen junge Leute aus Berlin-West kennengelernt und einen der Jungen vom Stasi-Dienstapparat aus im Westen angerufen.

Lothar Herzog, der fortan mehr Zeit hatte, sich in Leegebruch zu sonnen und zu baden, wurde Brigadeleiter von acht Kellnern und sechs Köchen in Berlin, arbeitete im Palast der Republik und nach der Wende im ICC. Als die Herzogs sich 1989 von ihren SED-Parteibüchern trennten, gaben sie an, dass ihnen das Missverhältnis zwischen Propaganda und Realität erst spät bewusst geworden sei. Das Grundstück am Schlangenberg, wo die Birken und Tannen inzwischen in den Himmel gewachsen sind, haben beide inzwischen veräußert.

Hajo Eckert